Ob Festbrennweite oder Zoom-Objektiv wird von manchen sehr kontrovers diskutiert. Der Laie oder Einsteiger ist mit dieser Frage, geschweige den Entscheidung, meist überfordert. Schließlich weiß er ja noch nicht was für seine Art der Fotografie besser geeignet wäre? Zudem haben die meisten Anwender keine Ahnung wohin ihre fotografische Entwicklung hingehen wird.
Warum ich derzeit nur noch mit Festbrennweiten fotografiere wundert mich selbst! Damit man das besser versteht fange ich chronologisch bei meinen fotografischen Anfängen an. Dabei überspringe ich die Zeit vor der ersten Spiegelreflexkamera.
Meine erste Kamera war 1979 eine gebrauchte Pentax Spotmatic. Die Kamera kaufte ich im Fachhandel gebraucht mit einem 1,7 / 50 mm Objektiv. Später kam noch ein 200 mm Tele von einem Fremdhersteller dazu. Da ich im Sportverein auch Fotos für die Zeitung gemacht habe, war das Tele genau richtig. Zoom-Objektive gab es damals nur wenige. Diese waren alle recht lichtschwach, groß und teuer. Auch die optische Qualität war damals meist sichtbar schlechter. Und der Zoombereich war bei den damaligen Optiken oft nicht so groß. Als Schüler sprach allerdings in erster Linie der Preis dagagen.
Ein paar Jahre später verkaufte ich die Pentax und gönnte mir eine Nikon FM mit einem Tokina 80 -200 mm. Mein erstes Zoom. Mit Makrofunktion. Na ja, sagen wir lieber verbesserter Naheinstellung gegenüber anderen Tele-Zooms. Lichtstärke 3,5 – 4,5 war so lala. Für meine Sportaufnahmen im Freien war das in Ordnung. In den Folgejahren erwarb ich ein 35 mm 2,0 Nikon E-Serie und ein gebrauchtes 20 mm 3,5. Beides für die damalige Zeit großartige Objektive. Gerade das 20 mm kam in der Landschaftsfotografie sehr oft zum Einsatz.
Als ich mit Bergwandern begann kam ein Nikkor 35-105 mm Zoom dazu. Dieses hat mich auf vielen Bergwanderungen in den Alpen begleitet. Das Zoom hat mehrere Kameragenerationen überstanden. Obwohl ich oft das 20 mm dabei hatte, kam meist das Zoom zum Einsatz. Am ausgesetzten Berg musste ich mich oft für ein Objektiv entscheiden. Ein Objektivwechsel war da nicht immer möglich. Auf Klettersteigen oder Klettertouren kam wiederum das 20 mm zum Einsatz. Mit dem 35-105 war ich von der optischen Qualität sehr zufrieden. Es wurde schnell zum Universal-Zoom. Lediglich die Lichtstärke hätte besser sein können.
Mit dem Kauf meiner ersten digitalen Spiegelreflexkamera, gab es auch bei den Objektiven Veränderungen. Die alten Nikon-Objektive hatten nur wenig Bedienkomfort an der neuen Kameratechnik. So habe ich alle manuellen Optiken verkauft. Die Nikon D70 kaufte ich als Kit mit Standard-Zoom. Na ja, Plastikbomber mit viel Spiel in den mechnischen Teilen. Optisch war es OK. Mechanisch nach ein paar Jahren sehr ausgeleiert und klapperig. Das manuelle 20 mm hatte ich noch behalten, da man für Landschaften auch in Ruhe alles einstellen kann. Autofokus wird dafür selten benötigt. Ein 180 mm 2,8 IF ED ergänzte den Telebereich. Ein großartiges Objektiv! Ich nutze es heute noch an meiner Fuji mit Adapter. Logischerweise ohne den Autofokus mit manueller Entfernungseinstellung. Tolle optische und mechanische Qualität.
Die Nikon D70 wurde von der D300 abgelöst. Dazu gesellte sich ein gebrauchtes Sigma 5,6 /400mm. Das Tele hatte einen recht guten Nahbereich. Ich habe es meistens zum fotografieren von Libellen eingesetzt! Ein günstiges Teleobjektiv zu bezahlbaren Preis. Ein Nikkor 12-24 mm Zoom ergänzte den Weitwinkelbereich. Das 20 mm wurde dadurch ersetzt.
Die Nikon D300 war viele Jahre eine tolle Kamera. Der Wunsch nach höherer Auflösung und einem Vollformatsensor wurde durch eine Nikon D610 erfüllt. Ein größerer Sensor erforderd auch hochauflösendere Objektive. Die D610 wurde mit einem AF-S 2,8 / 24-70 mm und AF-S 2,8 / 70-200 ergänzt. Das 24-70 wurdes schnell zu meinem Standard-Zoom. Trotz der Größe und des Gewichtes schleppte ich es auch auf Bergtouren mit. Die optische Qualität ist hervorragend. Für Landschaften ergänzte später das Nikkor 1,8 / 20 mm das Brennweitenspektrum. Es wurde bei Landschaften schnell mein Liebelingsobjektiv. Manche Fotografen sagen, daß Objektiv sei nicht scharf. Leute benutzt einfach ein Stativ. Schärfer geht kaum. Das wurde auch im Test von DXOMARK bestätigt. Wobei ich von solchen Test meist wenig halte.
Das große Manko an der D610 mit dem 24-70 war das hohe Gesamtgewicht. Bei Bergwanderungen zog die Kamera nach zwei Stunden ganz schön nach unten. Zusammen waren es 1,75 KG! Kein Gewicht das beim Wandern lange Spaß macht. Für Produktaufnahmen im Fotostudio kam ein PC-E 2,8/45 mm Tilt-Shift Nikkor dazu. Tolle Optik. Knackescharf. Aber sehr speziell.
Aus diesem Grund musste ein Zweitkamera her. Etwas leichtes. Eine Fuji X-M1 mit Setzoom aus Plastik erschien mir genau richtig dafür. Die Kamera ist leicht und gut bedienbar. Dennoch vermisste ich ein kräftiges Weitwinkel. Ich kaufte ein 14 mm (= 21 mm Vollformat). Ich war von der Optik sofort begeistert! Sehr gute Verarbeitung. Überall Metall. Sehr gute optische Qualität. Ich war positiv überrascht von der sehr guten Optik. Danach kam ein 1,4 / 23 mm dazu. Wieder ein hervorragendes Objektiv. Als die Fuji X-T2 auf den Markt kam, zögerte ich ein halbes Jahr mit dem Kauf. Die Nikon sollte erst einmal bleiben. Am Anfang kam ich überhaupt nicht mit der X-T2 zurecht. Unscharfe Bilder. Würmschen beim Schärfen. Die Bedienung erschien mir umständlich. Dennoch war mein Ehrgeiz angestachelt. Alle Fehler habe ich analysiert und abgestellt. Typscher Umsteigerfehler. Bei Systemkameras ist manches doch anders als bei Spiegelreflexkameras. Nach über 30 Jahren Spiegelreflex mit Nikon hat die Umstellung gute 3 Monate gedauert. Heute, nach 2 Jahren, kenne ich meine X-T2 blind. Alles eine Frage der Gewohnheit. Nach einem halben Jahr stellte ich fest, daß die Fuji auch all das kann was die Nikon D610 konnte. Obwohl sie nur einen APS-C-Sensor hat, wurde die Sensorgröße durch rafinierte Sensortechnik und Software auf vergleichbaren Qualitätsniveau ausgeglichen. Manche Features sind sogar besser als bei der Nikon.
Inzwischen habe ich mir weitere Fuji-Objektive gekauft. XF 1,4/16 mm, XF 1,4/50 mm, XF 2,4/60mm Makro, XF 2,8/80 mm Makro, XF 2,0/90mm ergänzen die bereits bestehenden Objektive. Ein Telezoom hatte ich für ein paar Monate. Nach Testaufnahmen im Zoo und bei einem Helikopter-Rundflug habe ich es gleich wieder verkauft. Die optische Leistung entsprach keinem der Festbrennweiten. Insbesondere die Schärfeleistung erfüllte in keinster Weise meine Vorstellung. Dafür sind alle Festbrennweiten bei Fuji großartige Objektiv. Sehr gute mechanische Verarbeitung und beste bis hervorragende optische Qualität.
Seit ich mit Fuji fotografiere bin ich schleichend weg vom Zoom, hin zu Festbrennweiten, gekommen. Vielleicht mag das auch an der Haptik der Fuji-Kameras liegen? Nicht nur optisch auch in der Bedienung errinnert vieles an Kameras aus den 80er und 90er Jahren. So sind insbesondere die Einstellung der Verschlußzeit, Blende und ISO für mich intuitiv und da wo sie sein sollten.
Warum fotografiere ich derzeit nur noch mit Festbrennweiten?
Schwierig zu sagen. Ehrlich gesagt hat sich das bei mir schleichend entwickelt. Ein Grund dürfte bei mir sein, daß sich die Motivbereiche zum Teil verändert haben. Über 70% meiner jährlichen Fotos entstehen inzwischen im Fotostudio. Meist Produktaufnahmen von Gegenständen und Lebensmitteln. Bei diesen Motiven reicht eine Festbrennweite aus. Ein Zoom vermisse ich dabei in keinster Weise. Am häufigsten kommt für Produktaufnahmen das 2,4/60 mm Makro zum Einsatz. Manchmal auch das 1,4/23 mm oder das 1,4/50 mm. Letzteres verwende ich gerne für Portraits im Studio.
Das 2,8/14 mm und 1,4/16 mm kommen meist in der Landschaftsfotografie zum Einsatz. Das 2,8/80 mm Makro nutze ich für Nahaufnahmen in der Natur. Aber auch das 2/90 mm nutze ich gerne für Portraits im Freien oder Landschaftsdetails.
Just for fun und zum Experimentieren fotografiere ich auch hin und wieder mit einem adaptierten Leica Elmarit 2,8/50 mm und einem Helios 44-2-7 – 58 mm. Beim Helios hat es mir das Bokeh angetan. Beim Elmarit die Leica-Schärfe. Eigentlich vom Bildcharakter zwei völlig konträre Objektive. Dennoch hat jedes seinen eigenen Reiz.
Ganz selten adaptiere ich noch mein altes Nikkor AF-D 2,8/180 mm. Allerdings benötige ich inzwischen seltenst solch ein starkes Tele. An der Fuji entspricht das einem 270 mm Brennweite bei Vollformat. Und das Nikkor PC-E 2,8/45 mm Tilt-Shift? Das will ich seit 2 Jahren endlich mal mit der X-T2 testen. Allerdings fehlte mir bisher die Zeit dafür. Ist sicherlich eine lustige Kombination?
Früher habe ich auf Spaziergängen oder Wanderungen fast immer ein Standardzoom auf der Kamera gehabt. Heute habe ich, je nach Tageslaune, immer eine Festbrennweite auf der Kamera. Ist das ein Nachteil? Nein, im Gegenteil. Der Blick für manche Motive wird durch eine Brennweite besser geschult. Man sieht plötzlich Motive, an denen man vorher achtlos vorbei gelaufen ist. Solche Spaziergänge mache ich auch oft um ein Objektiv kennen zu lernen. Mit Fotos spare ich dabei nicht. Was nichts ist, kann man ja immer noch löschen. Und die Lernkurve ist dabei sehr hoch. Das dabei erlernte Wissen lässt sich anschließend auch in die Umsetzung neuer Motive gezielter anwenden. Ich weiß viel besser, welches Objektiv ich für welches Motiv ich verwenden werde.
Festbrennweite für kreativere Fotografie?
Macht man mit Festbrennweiten kreativere Fotos? Ich weiß es nicht, ob man das so interpretieren kann? Auf jeden Fall schult es mit entsprechender Übungsgrundlage den Blick und das Einschätzungsvermögen. Voraussetzung ist allerdings als Basis das Grundwissen über Fototechnik. Ohne diesem wird man das gemachte Bildmaterial schwer einschätzen können. Ohne richtige Einschätzung wird die Lernkurve gering oder gar nicht möglich sein.
Immer mehr Festbrennweiten haben heute ein hohe Lichtstärke. Es gibt manchen Fotografen, welcher Lichtstärke mit besserer Freistellung eines Motives und kreativem Gestaltungsmittel gleichsetzt. Das mag zum Teil stimmen. Wer schon einmal versucht hat bei offener Blende 1,4 genau den richtigen Schärfepunkt zu erwischen, wird wissen was ich meine. Das ist fast nie realisierbar. Zumindest mir erscheint das so. Aber vielleicht muß man gelernter Scharfschütze sein, welcher geübt die Luft vor der Aufnahme anhält und die Kamera in verwacklungsarme Haltungsposition vor dem Schuss bzw. Aufnahme bringt. Mir gelingt das meist nicht auf Anhieb. Für ein korrekt gesetzten Schärfebpunkt brauche ich meist 5 bis 10 Versuche. Manchmal auch mehr. Manchmal gelingt mir auch keiner. Sorry, ich halte es für Märchen wenn manche Fotografen sich rühmen nur mit offener Blende zu fotografieren. Sorry, die scheinen nicht zu wissen was scharfe Bilder sind. Zudem entsteht beim Laien meist ein falscher Eindruck.
Sehr leicht wird der Einsteiger und Unerfahrene durch solche Fotos und Aussagen zu Fehlkäufen verleitet. Es kommt nicht immer auf die Lichtstärke an. In den wenigstens Fällen macht diese Sinn. In den wenigsten Fällen kann die offene Blende zu knackescharfen Bildern führen. Ich blende, je nach Objektiv, meist um 1/2 bis zu 2 Blendenwerten ab um eine höhere Schärfe zu erzielen. Zu weiche und unscharf wirkende Aufnahmen gefallen mir überhaupt nicht. Wenigstens der bildwichtige Teil sollte scharf sein.
Ja aber zerstört man so nicht ein herrliches Bokeh? Nein, die Lichtpunkte werden in den meisten Fällen nur etwas verkleinert dargestellt. Wenn ich mehr Bokeh möchte, nehme ich eine höhere Brennweite oder gehe näher an das Objekt. Beides ergibt größere Lichtkreise und kann dem Abblenden entgegenwirken. Bokeh gefällt mir gut. Bei manchen Objektiven sogar sehr gut. Manchmal mache ich sogar Fotos die nur aus 100% Bokeh bestehen. Vor allem mit dem alten Helios-Objektiv kann man tolles Bokeh machen. Aber auch hier gilt viel ausprobieren. Abstand, Blende und Hintergrund müssen in das gewünschte Bokeh-Gleichgewicht gebracht werden. Da ist viel Fuß- und Handarbeit erforderlich bis alles passt. Die Bokeh-Hintergründe wiederum verwende ich für Composings als Hintergrund. Aber auch für sich allein kann ein Bokeh-Bild schön wirken.
Wie lernt man mit Festbrennweiten umzugehen?
Nehme eine Festbrennweite und mache mit ihr einen Fotospaziergang. Mache damit sehr viele Fotos. Mit offener Blende. Mit unterschiedlichen Blendenwerten vom gleichen Motiv. Versuche bei offener Blende ein Bokeh zu bekommen. Verändere bei einem Motive den Abstand. Verändere die Aufnahmeposition und Perspektive. Die Bider müßen nicht erste Sahne sein.
Nach dem Fotospaziergang werden die Bilder auf den Rechner übertragen. Betrachte und vergleiche die Aufnahmen. Ab jetzt beginnt der Lernprozess. Die betrachten und analysieren steigt deine Lernkurve und dein Wissen. Du wirst aus dem erlernten in Zukunft dein Objektive gezielter und bewusster einsetzen können. Fehleinschätzungen werden sich verringern. Dennoch werden auch weiterhin Fehler passieren. Das Lernen hört nie auf. Auch in der Fotografie ist das so. Wer viel übt wird schneller besser werden.
Wenn man oft genug geübt und gelernt hat, wird man sein Objektiv auswändig kennen. Man wird die Stärken als auch die Schwächen genau kennen. Man wird es gezielter für Fotomotive einsetzen können. Man wird bessere Fotos machen können.
Greif öfter zu einer Festbrennweite. Lerne sie richtig kennen. Du wirst neue Sicht- und Gestaltungsmöglichkeiten entdecken. Deine Art der Fotografie wird sich weiter entwickeln.
Hej Bernd.
Ehrlich gesagt, den ersten Teil des Textes habe ich gekonnt überlesen, deine Überschrift hat allerdings meine Neugier geweckt. Ab der zweiten ZwischenÜberschrift habe ich den Text dann wieder mit Interesse gelesen. Gut finde ich, dass du die Grenzen der Festbrennweite klar nennst und falsche Erwartungen an die hohe Lichtstärke bremst. Wenn der Erfolg mit der Festbrennweite dir recht gibt, und deine Lernkurve sich so gut entwickelt, ist das ein gutes Argument und Inspiration um das verstaubte 50mm Glas endlich wieder aus dem Regal zu nehmen.
Gruß,
Nils